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Es ist noch gar nicht so lange her, da wurden die Eishockeyspieler der Frankfurter Eintracht von ihren fußballspielenden Vereinskameraden - wenn überhaupt - nur über die Schulter angeguckt. Es hatte sogar passieren können, daß der Fußballer dem Eishockeyspieler auf der Geschäftsstelle begegnet wäre und ihn nicht einmal erkannt hätte. Die Zeiten haben sich geändert, und zwar drastisch. Man darf davon ausgehen, daß ein Jerzy Potz oder ein Trevor Erhardt, ein Peter Zankl oder ein Toni Forster bei einem vielseitig interessierten Eintracht-Fan mehr Sympathien erfährt als ein Hans Gundelach oder ein Ralf Sievers.
Eishockey und Fußhall sind also zwei Herzen, die heutzutage mit gleicher Intensität in der Brust eines Anhängers dieses Vereins schlagen. Wäre die Kapazität der Eissporthalle am Bornheimer Hang nicht auf 6000 Zuschauer begrenzt, so hätte es in der vergangenen Runde, der ersten in der 1.Bundesliga nach siebzehn Jahren, Eishockeyspiele der Frankfurter Eintracht vor zehn- bis fünfzehntausend Interessenten gegeben. Mehr sind auch zu den meisten Vorstellungen der Fußballprofis nicht ins Frankfurter Waldstadion gekommen.
Es ist deshalb verständlich, daß der ehemals "kleine Bruder“ innerhalb des Großvereins die gleiche Aufmerksamkeit beansprucht wie das einst übermächtige große Vorbild. Da dies nach dem Gefühl der Abteilung Eishockey aber nicht der Fall ist, kommt es immer wieder zu atmosphärischen Störungen. die von Eishockey-Boß Günther Herold bei jeder Gelegenheit angeprangert werden. "Wir werden im Verein immer wieder als wirtschaftlicher Risikofaktor bezeichnet. Man hätte uns ruhig ein wenig mehr Anerkennung für die abgelaufene Saison entgegenbringen können. Statt dessen gibt es immer wieder Leute. die an uns herumnörgeln.“
Auch wenn diese Disharmonie für die breite Öffentlichkeit weder offenkundig noch verständlich ist (immerhin gehört die Vereinsspitze mit Präsident Dr.Klaus Gramlich, Schatzmeister Wolfgang Knispel und Vizepräsident Klaus Mank regelmäßig zu den Besuchern der Eissporthalle), darf die Abteilung in der Tat mit einigem Stolz auf das Geleistete zurückblicken. Das gilt im gleichen Maße für die Mannschaft wie für die Organisation, die mit einem Minimum an logistischem Aufwand einen Riesenetat von 3,5 Millionen Mark verwaltete und am Ende ohne Verschuldung über die Runden kam.
Die Angst der einflußreichen „Nörgler“. die Herold nie beim Namen nennt, ist allerdings nicht ganz aus der Luft gegriffen. Frankfurt wäre ja tatsächlich seit langer, langer Zeit die erste deutsche Großstadt, in der Fußball und Eishockey auf einige Dauer und auf höchster Ebene gedeihlich und gesund nebeneinander existieren würden. Vergleichbare Versuche scheiterten in München ebenso wie in Berlin und - last not least - in Düsseldorf, wo im Rekordjahr der DEG die Fortuna vor chronisch unterbesetzten Rängen langsam in die Zweitklassigkeit abglitt. Auch in Köln gerieten die Erfolge deutlich in den Schatten des Abschneidens der „Haie“. Solche Tendenzen machen dort natürlich besonders Angst, wo Fußhall und Eishockey unter dem gleichen Dach zu Hause sind und somit innerhalb des Gesamtvereins ein ständiges Hoffen und Bangen zu befürchten steht. Natürlich ängstigen sich bei der Eintracht die in größerer Zahl vertretenen Mitglieder der Fußball-Lobbv, wenn die Eishockey-Abteilung schon Wochen vor Saisonbeginn über 2000 Dauerkarten und damit ein mehrfaches der Sparte Fußball abgesetzt hat.
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Selbst ein Mann wie Schatzmeister Wolfgang Knispel, der in den Jahren seines Wirkens stets als konsequenter Verfechter der Konsolidierung des einst hochverschuldeten Vereins galt, scheint da nervös zu werden. Sein Prinzip, eine Neuverschuldung der Eintracht durch Aktivitäten auf dem Transfermarkt komme nicht in Frage, hat er vor dieser Saison schweren Herzens aufgegeben, was freilich vorerst nicht zum Schaden des Eishockeys geschah. Auch die kleinere Abteilung durfte ihre Grenzen noch einmal nach oben verlegen und ihren Etat auf rund 4.5 Millionen Mark erweitern. Mit diesem Ausgabenvolumen lassen Herold und Co. sogar manchen Fußball-Bundesligisten hinter sich.
Der Abteilungsleiter hält das damit eingegangene Risiko für vertretbar und verweist voller Stolz auf die Attraktion, die sein Sport in der Saison 1986/87 auf das Publikum ausgeübt hat. Im Zuspruch lag da die Eintracht unmittelbar hinter Krösus Düsseldorf und vor Meister Köln oder dem Mannheimer ERC. In den Punktspielen war die Eissporthalle zu 95 Prozent ausgebucht, die Freundschaftsspiele und das traditionelle internationale Turnier um den Henninger-Cup sowie das Länderspiel gegen Finnland hinzugerechnet passierten über 200.000 Besucher die Kassenhäuschen. Auch hier ein Vergleich mit der Sportart Nummer eins: Im Fußball hatten die Erstligisten Homburg, Leverkusen, Düsseldorf, Mannheim und Uerdingen in absoluten Zahlen zum Teil erheblich geringeren Zuspruch.
Doch auch der Preis für die enorm gesteigerte Attraktivität und die dahinter steckende Erwartungshaltung ist bereits festgelegt. Bereits ein Jahr nachdem sie ihre ehernen Grundsätze verkündet hatten, müssen Herold und Trainer Jorma Siitarinen sich umorientieren. „Wir haben diese Mannschaft nicht für eine Saison, sondern für die Zukunft gebaut“, ließ sich der Finne vor Beginn der vergangenen Saison vernehmen. Doch die Realität sieht nun plötzlich ganz anders aus. Von den nicht weniger als 27 Spielern, mit denen er in das Abenteuer 1.Bundesliga gestartet war, werden im zweiten Jahr sage und schreibe 13, vielleicht sogar 14 nicht mehr dem Kader angehören.
Auch die von Herold stets mit Stolz verkündete Maxime, der Verein wolle eigenen talentierten Nachwuchsspielern eine Chance geben und damit ein Signal für die Entwicklung des Frankfurter Eishockeysports aus eigener Kraft setzen, kann dann in der Schublade mit der Aufschrift „Sonntagsreden“ abgelegt werden. Standen in der vorigen Saison noch sieben Spieler im Aufgebot, die ihre ersten Rutschversuche auf der Eisbahn im Radstadion gemacht hatten, so werden dem zukünftigen Kader gerade drei Eigengewächse angehören. Und diese drei sind der dritte und vermutlich im Schatten von Peter Zankl und Michael Schmidt stehende Torhüter Oliver Schulz, der zwar talentierte, aber immer noch der Führung durch einen routinierten Nebenmann bedürftige Verteidiger Guido Göbel und schließlich der Stürmer Ralf Hartfuß, den die Eintracht ebenfalls gern auf Leihbasis abgegeben hätte, wenn sich ein Zweitligist gefunden hätte, bei dem der Sohn des Frankfurter Eismeisters die gewünschten Fortschritte machen könnte. Und auch nicht alle Junioren-Nationalspieler, die nach Frankfurt geholt wurden, um dort von ihrem Talent zu zeugen, konnten den Vorschußlorbeeren gerecht werden. Toni Krinner, der Tölzer Bua, bekam seine Probleme mit dem Großstadtleben. und den zunächst gesperrten, dann verletzten Duisburger Thomas Werner zog es nach einem Krach hinter den Kulissen weg von der Eintracht.
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Dieser Vorfall freilich steht im Widerspruch zum guten Betriebsklima und zur seriösen Abteilungsleitung. Beides wird von den Spielern immer wieder hervorgehoben. Besonders solche Akteure, deren Leistungsvermögen vor der vergangenen Runde bezweifelt wurde, konnten sich in dieser vertrauten Atmosphäre zu ungeahnten Höhen emporschwingen. Wer hätte vorauszusagen gewagt, daß der bis dahin nur in der zweiten Liga bekannte Kanadier Trevor Erhardt auch in der Eliteklasse zu einem der effektvollsten Stürmer werden würde ? Und wer hatte schon prognostiziert, daß sich der von vielen schon zum alten Eisen gerechnete, fast 30 Jahre alte Toni Forster derart in den Vordergrund spielen würde, daß er sogar in den personellen Überlegungen von Bundestrainer Xaver Unsinn noch einmal eine Rolle übernehmen könnte ? Das positive Beispiel dieser beiden Routiniers im gleichen Maße wie die Enttäuschung durch die Nachwuchsleute haben Herold und Siitarinen für das zweite Erstliga-Jahr auf dem Transfermarkt nach „gestandenen“ Männern Ausschau halten lassen. Das Ergebnis dieser Suche war die Verpflichtung eines Sextetts mit vier ehemaligen deutschen Nationalspielern (Pöpel, Jörg Hiemer, Adams, U. Egen) sowie dem zuletzt inaktiven Kanadier Langlois und dem ebenfalls international erprobten Exil-Polen Denisiuk. Daß drei von ihnen über 30 Jahre alt und die anderen von dieser Altersgrenze nicht weit entfernt sind. stört in Frankfurt niemanden. Dort hat man sich sehr schnell die Erfahrung anderer zu eigen gemacht, daß Alter vor Klasse nicht schützt. Und außerdem sind ja eigene Leistungsträger wie Potz, Forster und Mucha auch keine Greenhorns mehr. Bei aller Zustimmung, der sich der Abteilungsvorstand von außen sicher sein darf, und bei aller Unterstützung, die dieser Sport in Frankfurt durch die Öffentlichkeit erfährt, gibt es für Günther Herold und seine Mitarbeiter nach wie vor ein Grundproblem. Die Halle, um deren Bau er zunächst eineinhalb Jahrzehnte vergeblich gekämpft hatte, entspricht mit ihrer Dimension nicht mehr den Vorstellungen und wohl auch nicht der Notwendigkeit, die für eine langfristig erfolgreiche Mannschaft vorauszusetzen sind.
Die permanente Diskussion um die Erweiterung der schmucken Arena auf ein Fassungsvermögen von wenigstens 8000 Zuschauern endet stets bei der Kostenfrage. Und eine Erhöhung der Eintrittspreise um bis zu 50 Prozent, wie es jetzt gerade geschehen ist, ist kein beliebig wiederholbarer Vorgang - nicht einmal bei einem so eishockeyverrückten Publikum, wie es das Frankfurter ist. Und eine weitere große Hoffnung scheint sich zu zerschlagen, bevor sie richtig aufkeimen konnte.
Zwar will die Stadt Frankfurt zur Unterstützung ihrer Olympia-Bewerbung ganz in der Nähe der Stadien Bornheimer Hang und Riederwald eine Mehrzweckhalle mit 20.000 Plätzen errichten lassen, doch nach Günther Herolds Kenntnisstand ist eine Eisfläche seltsamerweise nicht vorgesehen. Frankfurt hätte dann mit Festhalle, Eissporthalle und „Olympiahalle“ drei geschlossene Arenen für zusammen 36.000 Besucher, aber keine, die dem vermeintlichen Bedarf in Sachen Eishockey entspricht. Schilda scheint am Main zu liegen.
Gerhard Simon
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