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Fußball und Eishockey unter einem Dach erfolgreich zu verwalten, ist für Vereinsfunktionäre so schwierig wie für Mathematiker die Quadratur des Kreises. Dafür gibt es Beispiele in der Vergangenheit und nun den aktuellen Fall der Frankfurter Eintracht. Wer bis dahin glaubte, dem hessischen Renommierverein würde es besser ergehen als dem FC Bayern München und dem Hamburger SV, wo von den beiden populärsten Mannschaftssportarten hierzulande am Ende nur die populärere übrigblieb, mußte sich gegen Ende der Saison 1990/91 durch das Eintracht-Präsidium eines besseren belehren lassen.
Die Frankfurter kündigten den Rückzug ihrer Mannschaft aus der ersten Eishockey-Bundesliga an, was sich wenig später als das Ende dieser Sportart im Zeichen des Eintracht-Adlers herausstellte.
Das plötzliche Strecken der Waffen kam überraschend und doch nicht ganz unerwartet. Überraschend, weil im Sport eins und eins eben nicht immer zwei bedeutet. Da war eine Mannschaft, die wie kaum eine andere in Deutschland sich über ziemlich genau ein Jahrzehnt hinweg ständig verbessert hatte, die sich nach dem Aufstieg vor fünf Jahren in recht kurzer Zeit dem Establishment der höchsten Klasse angeschlossen hatte und noch zu Beginn dieses Jahres den Sprung unter die großen vier zu schaffen schien. Und doch nicht ganz unerwartet, weil diese Mannschaft im Schatten der Fußballer immer nur als fünftes Rad am Wagen mitzulaufen schien. Seit Jahren stets als größte Schuldenmacher des Vereins angeprangert, als Sympathieträger mißachtet und als Prügelknaben für Mißwirtschaft, die manchmal ganz woanders stattgefunden hatte, benutzt, mußten die Eishockeyspieler mit dem Schlimmsten rechnen.
Das schlimmste aber war es vor allem für die 5000 bis 7000 treuen Anhänger dieses Sports in Frankfurt, die regelmäßig zu den Spielen in die Eissporthalle am Bornheimer Hang kamen. Wie groß der Heißhunger auf diese Sportart in den fünf Bundesligajahren geworden ist, läßt sich vor allem daran ablesen, daß der unmittelbar nach dem Rückzug der Eintracht gegründete Frankfurter ESC »Die Löwen« binnen drei Monaten mehr als eintausend Mitglieder registrieren konnte. Da die Eintracht in ihrer Eissport-Abteilung nur 460 Mitglieder, darunter sogar noch die bei ihr verbliebenen Eisstockschützen, gehabt hatte, wird auch eines deutlich: In dem Großverein mangelte es an Identifikation mit dem Eissport, die Installation des Nachfolgevereins setzte bei vielen Interessenten eine »Jetzt-erst-recht«-Mentalität frei.
»Gut, daß Günther Herold das nicht mehr miterleben mußte.« So oder ähnlich lautete die Reaktion vieler auf den Exitus des Eishockeys bei der Eintracht. Doch man kann diese Entwicklung auch genau umgekehrt interpretieren: Wäre Günther Herold noch am Leben, wäre es mit dem Eishockey bei der Eintracht nicht so weit gekommen. Als der Frankfurter »Mister Eishockey« im Mai 1989 direkt bei der Arbeit an seinem Lebenswerk einem Herzinfarkt erlag, gab es keine allseits mit Respekt vernommene Stimme mehr, die sich den Kritikern am Eishockey glaubwürdig widersetzen konnte. Tiefschläge zu überstehen, war Günther Herold während seiner rund 23 Jahre dauernden Arbeit in der Abteilung zu einer routinierten Angelegenheit geworden. Dazu ein Zitat aus der Festschrift anläßlich des 25jährigen Bestehens der Abteilung 1985: »Was vor 25 Jahren hier als zwölfte Abteilung der Eintracht ins Leben gerufen wurde. wäre einen raschen Tod gestorben. wenn es diesen Günther Herold nicht gegeben hätte.«
Natürlich hatte auch Herold Fehler gemacht. »Jetzt haben wir einen goldenen Käfig. Da wollen wir keine grauen Mäuse präsentieren.« Diesen Satz sagt er zu Beginn der 80er Jahre, als Frankfurt nicht zuletzt dank Herolds Hartnäckigkeit endlich seine Eissporthalle hatte und die Zeit auf der zugigen Eissportfläche inmitten der antiquierten Radrennbahn beendet war. Statt der grauen Mäuse kamen nach und nach immer mehr hochkarätige Spieler zur Eintracht, aber auch Absahner und Handgeldjäger. Gern ließ sich Herold mit der Tatsache zitieren, daß namhafte Spieler aus anderen Vereinen bei ihm Schlange stehen würden. Die Begehrtheit der Eintracht hatte natürlich auch damit zu tun, daß bei der Eintracht besonders viel Geld zu verdienen war. In dieses Bild paßte auch eine von Herolds letzter spektakulärer Aktion. Nicht nach Düsseldorf, nicht nach Köln und nicht nach Rosenheim ging Jiri Lala, einer der besten Stürmer der letzten Jahre aus der CSFR, sondern zur Eintracht.
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In das schmucke Stadion am Bornheimer Hang kamen im Durchschnitt der letzten Jahre mehr Zuschauer als nach Mannheim und Schwenningen, in mancher Saison mehr als zu den Spitzenclubs aus Köln und Rosenheim. Doch diese Vereine sind alle noch am Leben, während die Eintracht-Abteilung Jahr für Jahr Schulden in Millionenhöhe machte. Auch wenn gerade aus Frankfurt immer wieder der Vorwurf kam, andere Vereine würden ihre Kasse nicht so seriös und gewissenhaft wie die Eintracht führen, kann dieses Mißverhältnis nicht an der Vermutung vorbeiführen, daß bei den Hessen in der Geldstadt Frankfurt die Mark besonders locker saß.
Doch solche Großzügigkeit ist das eine gewesen. Das andere ist die mangelnde Kontrolle des Geschäftsbetriebs in der Abteilung durch das fußballastige Präsidium. Warum auch sollte man sich über einen Transfer in der Eissportabteilung von - sagen wir -stolzen 200000 Mark graue Haare wachsen lassen, wo es doch bei den Fußballern um Millionen ging? Aber nicht nur das. Für den Fußball zuständig waren ein Manager, ein Hauptgeschäftsführer, der sich jahrelang überhaupt nicht um das Eishockey kümmerte, und ein Vizepräsident, der selbst einmal in der Bundesliga-Mannschaft gespielt hat. Dazu noch ein Verwaltungsapparat, der zu den größten im deutschen Vereinswesen zählt. Wenn beispielsweise vor der Saison ein potentieller Käufer einer Dauerkarte für das Eisstadion in der Geschäftsstelle am Riederwald anrief und nach einem Ticket fragte, konnte es ihm passieren, daß er abgewimmelt wurde, weil zunächst einmal die Käufer der Karten für das Waldstadion bedient werden mußten.
Einen hauptamtlichen Mitarbeiter hatte auch das Eishockey. Doch dessen Kompetenzen waren derart beschnitten, daß eine Anfrage zumeist gar nicht lohnte. Als einer von ganz wenigen Vereinen der Eishockey-Bundesliga leistete sich die Eintracht den Luxus, keinen bezahlten Manager zu haben. Alles, was dieser zu tun gehabt hätte, fiel in den Tätigkeitsbereich von Walter Langela, den Nachfolger von Günther Herold. Der sparte auch nicht mit Kritik: »Jeder halbwegs geeignete Manager wäre imstande gewesen, das was er den Verein kostet, über Werbeeinnahmen hereinzuholen. Von anderen Möglichkeiten der Geldbeschaffung ganz zu schweigen.«
Bei der Eintracht aber sah es so aus, daß sie zwar mit den höchsten Etat in der Eishockey-Bundesliga, auf der anderen Seite aber die geringsten Werbeeinnahmen hatte. Es ist in unserer Zeit und angesichts der Wirtschaftskraft des Rhein-Main-Gebietes geradezu ein Anachronismus, daß die Frankfurter mehr als die letzte Hälfte ihrer letzten Saison in der höchsten Klasse mit einer weißen Weste, also ohne den Schriftzug eines Hauptsponsors, durch die deutschen Stadien kurvten. Nimmt man alle diese Tatbestände zusammen, so kann man sich dem Schluß nicht entziehen, daß der Eissportabteilung mit ihrem Flaggschiff Bundesliga-Mannschaft seitens des Gesamtvereins nicht viel mehr Unterstützung zukam als den Rugbyspielern, weniger vermutlich als den Amateurfußballern des Vereins in der Oberliga Hessen.
Bei den Kosten, die der Schatzmeister »seiner« Eissportabteilung in Rechnung stellte, wurde das Verhältnis umgekehrt. Hier belief sich die Summe dessen, was der Verein seiner Abteilung an Verwaltungskosten in Rechnung stellte, während der fünf Erstligajahre auf über zwei Millionen Mark. Walter Langela sprach sogar von einer Belastung in Höhe von fast 800000 Mark für das vergangene Spieljahr. Dieses Geld, gut angelegt, darf die Verwaltung eines Bundesligisten vielleicht sogar kosten. Doch selbst ein führendes Mitglied aus der Eintracht-Geschäftsstelle, nicht im Verdacht stehend, ein Eishockey-Sympathisant zu sein, räumt ein: »Dieses Geld ist nicht effektiv verwendet worden.«
Lange ist darüber diskutiert worden, ob das Eintracht-Präsidium nicht mit ein bißchen gutem Willen diesen Sport den Frankfurtern hätte erhalten können. Immerhin gibt es Indizien, daß es genau daran fehlte. Während Vereinspräsident Matthias Ohms in seiner Bewerbungsrede für das hohe Amt vor rund drei Jahren dem Eishockey noch eine Zukunft voraussagte, wollte der wegen seiner Konsequenz geschätzte, aber auch gefürchtete Schatzmeister Wolfgang Knispei eine Bestandsgarantie zuletzt nur noch für ein Jahr geben. Mit 250000 Mark wollte die Eintracht das Eishockey
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subventionieren. Voller Stolz will Langela der Vereinsführung im Bestreben um den Fortbestand seiner Abteilung beglaubigte Bürgschaften in Höhe von einer Million Mark vorgelegt haben. Doch zu diesem Zeitpunkt schon forderte das Präsidium von dem Abteilungsleiter eine nach oben unbegrenzte Gesamtbürgschaft, die alle in der Zukunft entstehenden Verluste abgedeckt hätte. Laut Langelas Nachrechnung hätte erst ein verbürgter Betrag von rund 2,5 Millionen Mark den Vorstellungen des Schatzmeisters entsprochen. Dabei belief sich die Unterdeckung des Etats im Mittel der letzten fünf Jahre - die fragwürdigen Verwaltungskosten einmal ausgeklammert - auf nur knapp 900 000 Mark.
Wieweit es dem Präsidium bei aller verständlichen Verantwortung für das finanzielle Wohl des Vereins an dem nötigen Sachverstand gefehlt haben muß, einen Eishockey-Bundesligisten zu führen oder die Führung effektiv zu delegieren, kann besser als mit diesem Beispiel nicht belegt werden: Für den nach dem Rückzug aus der Bundesliga zum Mannheimer ERC gewechselten Jiri Lala stellte die Eintracht den Nordbadenern »für Ausbildung und Förderung« 250000 Mark in Rechnung. Der MERC mußte die Eintracht belehren, daß Ausländer nicht ablösefähig sind. Die Frankfurter mußten blamiert die »Akte Lala« schließen.
Beim Frankfurter ESC soll nun alles besser werden. Nicht zufällig hat sich der neugegründete Verein den Beinamen »Die Löwen« gegeben. Zum einen ist der Löwe das hessische Wappentier, zum anderen repräsentiert er wie kaum ein anderes Tier Stärke und vor allem Selbständigkeit. An letzterem hat es der Abteilung - wie beschrieben - besonders gefehlt.
In wirtschaftlicher Hinsicht scheint der Vorstand des FESC bereits vor seiner fast einstimmigen Wahl Anfang Juni gute Arbeit geleistet zu haben. Der Posten Werbeeinnahmen fiel mit rund einer halben Million Mark so üppig aus, daß allein damit der Spielbetrieb für die erste Saison garantiert war. Der Zulassungsausschuß des DEB, der die Wirtschaftlichkeit aller Vereine zu überprüfen hat, schien von der Seriosität des Eintracht-Nachfolgers ebenfalls überzeugt gewesen zu sein. »In dieser Hinsicht hätten wir Chancen, selbst in der zweiten Bundesliga aufgenommen zu werden«, freute sich Walter Langela über einen entsprechenden Bescheid aus München.
Doch die Frankfurter wollen klein anfangen. Finanzielle Drahtseilakte soll es nicht geben. Auch das Schlaraffenland für die Absahner liegt nicht mehr in Frankfurt. Das verbietet schon das Bezahlungsmodell bei den »Löwen«. Die angesetzten Personalkosten bestehen nur zu 40 Prozent aus dem Grundgehalt der Spieler. Den Rest müssen sich die Akteure je zur Hälfte über Zuschauereinnahmen und Punkteprämien im wahrsten Sinne des Wortes hart erarbeiten.
Die Sympathie für den neuen Verein ist groß, nicht nur in Frankfurt und nicht allein beim DEB. Zu den mehr als eintausend Vereinsmitgliedern gehören auch Präsident Engel und sein Stellvertreter Kaemmerer vom Mannheimer ERC. Letzterer hat begriffen, daß ein starker MERC-Nachbar das Geschäft eher beleben als einschränken würde. Diesem machte er Mut mit seiner Grußadresse anläßlich der FESC-Generalversammlung: „Der Löwe ist ein starkes, würdiges Tier, aber er muß auch Geduld haben. Ich bin sicher: die Beute wird euer sein!“
Gerhard Simon
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